Der eigene Weg
Frau Kmietczyk: Viele von uns seufzen in diesen Tagen, knapp und auf den Punkt gebracht: "Ein Jahr Corona!" Wie blicken Sie als Leiterin des St. Marienstiftes in Zeitz, einem Altenpflegeheim mit 50 Plätzen, auf diese Zeit zurück?
Wir unterscheiden, wie alle anderen auch, zwischen erster und zweiter Welle. Letztes Jahr im Frühjahr organisierten wir mit aller Kraft die Schutzmaterialien und die, wie ich gerne sage, Entflechtung unserer Dienstpläne, wir mussten ja für die Reduzierung von Begegnungen sorgen. Das alles wirkte - wir hatten keinen einzigen Fall in unserer Einrichtung. Mit der zweiten Welle begann eine komplett andere Zeit: Im Dezember erkrankten 15 unserer Bewohner an Covid 19, zum Teil mit schweren Verläufen. Menschen starben. Mitte Januar wurden elf Bewohner positiv getestet, alle hatten erfreulicherweise eher schwache Symptome. Seit Anfang Februar haben wir nun keine neuen Fälle mehr. Und damit ein wenig Entspannung.
Wann fand in Ihrem Haus die erste Impfung statt?
Ebenfalls Mitte Januar, genauer gesagt: am 13.1. Seitdem sind wir fleißig dabei, auch dank einer in diesem Fall wirklich guten Zusammenarbeit mit dem Impfzentrum des Burgenlandkreises, das für uns zuständig ist. Die zweite Impfrunde haben wir auch schon hinter uns, das läuft alles sehr gut.
Und wie sieht es mit der Impfbereitschaft aus?
Von unseren Bewohnerinnen und Bewohnern haben sich bisher rund 75 % impfen lassen, bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind wir knapp darunter. Wir werben unaufhörlich fürs Impfen und sind optimistisch, die Quoten weiter zu erhöhen. Generell bin ich der Meinung: Gemeinwohl geht vor Individualwohl. Das gilt auch beim Thema Testen: Alle Mitarbeiter machen mit, morgens von halb sechs bis acht Uhr, nachmittags von kurz nach eins bis zwei Uhr. Das viele Wochen lang täglich, auch an Wochenenden und Feiertagen, das alles seit Anfang November. Jetzt stellen wir gerade auf dreimal wöchentlich um.
Die Corona-Krise hat auch für neue Anforderungen an Leitung und Management von Alten- und Pflegeheimen gesorgt. Wie haben Sie sich in Zeitz aufgestellt?
Uns war schnell klar: Wir müssen einen eigenen Weg finden. Proaktiv gewissermaßen. Wir haben zum Beispiel immer, also auch im Frühjahr 2020, für Besuchsmöglichkeiten gesorgt, seien sie noch so kurz. Um es klar zu sagen: Bei uns fand kein Sterben ohne Kinder statt.
Wer gehörte zu Ihrem Netzwerk beim "eigenen Weg"?
Wir konnten zum Beispiel schon seit Anfang November testen - dank unseres Apothekers Alexander Dathe hier in Zeitz, der uns die Materialien beschaffte, war der Aufwand noch so groß. Eine tolle Zusammenarbeit! Das geschah für uns nicht ohne finanzielles Risiko, schließlich war von einer Refinanzierung zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede. Inzwischen sind die Rettungsschirme gespannt. Und ich muss sagen: Das klappt bestens, die Erstattungen finden zügig statt und das alles zudem noch recht unbürokratisch.
Ihre Einrichtung ist Teil der katholischen Pfarrei St. Peter & Paul in Zeitz. Auch ein Partner in der Krise?
Auf jeden Fall. In unserem Pandemiestab, den wir in der ersten Welle einberiefen, war auch der Pfarrer vertreten, gemeinsam mit unserem Leitungsstab und der Haustechnik.
Zurück zum "eigenen Weg". Wer war dabei noch an Ihrer Seite?
Im Januar entwickelte sich zusätzlich zu allen Herausforderungen ein großer Frust. Der Burgenlandkreis war von einer hohen Inzidenzzahl betroffen. Das spiegelte sich auch in den Altenpflegeeinrichtungen der Stadt Zeitz wider. Leider erhielten wir statt Unterstützung mahnende Worte, ausgesprochen in der Pressekonferenz des Landrates. Es wurde an das Verantwortungsbewusstsein der Einrichtungsleiter appelliert! Das war zu viel! In einem Interview darauf angesprochen, machte ich mir Luft und im Nachgang entstand der Arbeitskreis Corona der Zeitzer Altenpflegeeinrichtungen. Seither findet auf Leitungsebene der Einrichtungen ein regelmäßiger Austausch statt mit dem Ziel, gemeinsam mit dem Burgenlandkreis (Gesundheitsamt und Landrat) und nicht gegen einander die Pandemie zu bewältigen. Eine neue Gemeinsamkeit.
Auch diese Frage gehört zum Repertoire, reflektiert man die Corona-Krise: Auf was freuen Sie sich am meisten für die Zeit danach?
Ganz klar: Auf Gemeinschaft und Miteinander, auf Begegnung und Austausch. In dieser Beziehung erleben wir gerade verlustreiche Zeiten.
Regina Kmietczyk: Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Stefan Zowislo.